Vietnam: Rückblick auf das Jahr 2019 und Ausblick auf 2020

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Das Jahr 2019 war ein bemerkenswertes Jahr für das Wirtschaftswachstum Vietnams inmitten einer globalen Verlangsamung. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) blieb mit etwa sieben Prozent (dem höchsten in Südostasien) robust, die Inflation blieb mit vier Prozent stabil.

In diesem Artikel möchten wir einen Rückblick auf das Jahr 2019 durchführen und die wichtigsten Entwicklungen darstellen, auf die sich die Investoren im Jahr 2020 vorbereiten sollten, einschließlich der regulatorischen Änderungen im Arbeitsrecht und in der Visapolitik. 

Vietnams steigender FDI-Zufluss

Das Jahr 2019 markiert das zehnte aufeinanderfolgende Jahr des Anstiegs der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in Vietnam. Sowohl das Volumen, als auch der absolute Wert der FDI-Projekte sind deutlich gestiegen. Im November 2019 brachten 3.478 neue Projekte (28,2 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr) rund 31,8 Milliarden US-Dollar ein (3,1 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr).

Im Jahr 2019 war Südkorea mit 7,9 Milliarden US-Dollar der größte Investor in Vietnam, gefolgt von Hongkong mit 7,8 Milliarden US-Dollar. In den ersten 11 Monaten des Jahres 2019 kamen auch die größten zugesagten FDI aus Hongkong. Vietnam ist nach wie vor ein Nutznießer des Handelskrieges zwischen den USA und China und der politischen Spannungen in Hongkong, die zu steigenden Investitionen sowohl aus Festlandchina, als auch aus Hongkong beigetragen haben. Vietnam wird von Investoren aus anderen ASEAN-Ländern aufgrund seiner kulturellen Nähe zu China, seiner niedrigen Arbeitskosten und seiner investitionsfreundlichen Politik geschätzt.

Der Verarbeitungs- und Fertigungssektor zog mit 68 Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen Vietnams die höchsten Investitionen an. Der Übergang der Fabriken multinationaler Unternehmen von China nach Vietnam ist dabei der wichtigste externe Faktor dieser Entwicklungen.

Im Juni 2019 kündigte Apple den Plan an, mit der Testproduktion der drahtlosen Ohrhörer „AirPods“ in Vietnam zu beginnen, um die von der Trump-Administration auferlegten Zollkosten für China zu vermeiden. Im Grunde genommen hat die vietnamesische Regierung auch eine flexiblere Politik der Landvermietung mit fertig gebauten und nach Maß gebauten Fabriken eingeführt, um Fertigungsprojekte zu begrüßen.

Die International Finance Corporation („IFC“; Mitglied der Weltbank) erwartet, dass die FDI im Jahr 2020 weiter steigen werden. Die Hersteller zeigen Interesse an der Zentralregion, in der das Land für die industrielle Nutzung großes Potenzial bietet. Für die vietnamesische Regierung ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, sich besser in die globale Lieferkette zu integrieren und die Arbeitskräfte besser zu qualifizieren.

Steigende Popularität der FinTech-Industrie

Im Rahmen der FinTech-Investitionen in Südostasien konnte sich Vietnam im Jahr 2019 einen Gesamtanteil von 36 Prozent sichern – der wohl größte Meilenstein. Diese jüngsten Investitionen erhöhen den Anteil der von ausländischen Investoren finanzierten FinTech-Start-ups auf nunmehr 70 Prozent in Vietnam.

Mit 90 Prozent der Transaktionen, die in bar abgewickelt werden, ist der elektronische Zahlungsdienst die Priorität der Branche. 60,5 Prozent der FinTech-Startups sind als Zahlungsmittler tätig. Laut Allied Market Research könnte die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) der Branche im Zeitraum 2018-2025 bis zu 18,2 Prozent erreichen.

Abgesehen von der erheblichen Nachfrage hat auch die Regierungspolitik eine Rolle beim starken Wachstum der Branche gespielt. Das im September 2019 eingeführte Rundschreiben 13/2019/ND-CP bietet einen übergreifenden Plan zur Schaffung günstiger Bedingungen für Neugründungen gemäß den Standards der Industrie 4.0. Insbesondere werden Start-ups in High-Tech-Branchen für vier Jahre von der Körperschaftssteuer befreit und für neun Jahre um 50 Prozent erleichtert.

Laut Pham Xuan Hoe, dem stellvertretenden Direktor des Banking Strategy Institutes, wird der vietnamesische FinTech-Markt im Jahr 2020 einen Wert von 9 Milliarden US-Dollar haben und damit der viertgrößte Markt der ASEAN sein. In den kommenden zehn Jahren werden Startups voraussichtlich enger mit den Banken zusammenarbeiten, um die finanzielle Integration durch Technologieplattformen zu fördern.

Arbeitsrecht 2021

In diesem Jahr sieht das Arbeitsgesetz zwei wichtige Änderungen in Bezug auf das Rentenalter und die Begrenzung von Überstunden vor.

Das Renteneintrittsalter für Männer wurde von 60 auf 62 Jahre und für Frauen von 50 auf 55 Jahre angehoben. Die Anhebung ist unumgänglich, um einen Arbeitskräftemangel im nächsten Jahrzehnt zu vermeiden und einen unausgeglichenen Sozialversicherungsfonds anzugehen. Die Unternehmen können ein flexibleres Ruhestandsprogramm einführen, bei dem ältere Arbeitnehmer wählen können, ob sie freiberuflich tätig sein möchten, ob sie unabhängige Auftragnehmer oder ob sie Teilzeitarbeitnehmer sein möchten.

Der neue Code begrenzt auch Überstunden auf 40 Stunden pro Monat (300 Stunden pro Jahr). Diese Obergrenze ist höher als die anderen asiatischen Länder, wie z.B. die 36 Stunden pro Monat in China. Einige politische Entscheidungsträger befürworten jedoch eine Erhöhung der Obergrenze auf 400 Stunden in fünf speziellen Sektoren: Bekleidung, Textilien, Meeresfrüchte, Lederschuhe und Elektronik, da ihre Bestellungen saisonabhängig sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen immer noch eine freiwillige Vereinbarung treffen, bevor sie die Überstundengrenze einhalten können.

Diese Änderungen werden noch geprüft und treten offiziell 2021 in Kraft. Bis dahin sollten die Unternehmen bereits über einen konkreten Plan zum Schutz der Arbeitnehmerrechte und zur Aufrechterhaltung ihrer finanziellen Position verfügen.

Visafreundliche Politik

Das geänderte Gesetz über Einreise, Ausreise und Transit, das im Juli 2020 in Kraft treten wird, erlaubt Ausländern die visumfreie Einreise in die Küstenwirtschaftszonen für 30 Tage. Die Zonen müssen über internationale Flughäfen und geografische Grenzen verfügen und vom Festland getrennt sein. Die Ausnahmeregelung wird als eine gute Politik für FDI-Firmen begrüßt, die die potentiellen Wirtschaftszonen besuchen und Informationen darüber sammeln.

Im November kündigte die Regierung auch an, dass sie die Visumbefreiung für Bürger aus Japan, Südkorea, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Weißrussland bis zum 31. Dezember 2022 verlängern wird, wenn ihr Aufenthalt 15 Tage nicht überschreitet. Japan, Südkorea und Russland sind Schlüsselmärkte für den vietnamesischen Tourismussektor. Die Zahl der Touristen aus diesen Ländern ist im letzten Jahrzehnt jährlich um etwa 30 Prozent gestiegen.

Eine flexible Visapolitik wird mehr Ausländer nach Vietnam locken und damit das Wachstum der Tourismusbranche ankurbeln, ausländische Investitionen einbringen und den kulturellen Austausch zwischen den Nationen fördern.

Geändertes Wertpapiergesetz

Im November 2019 wurde das Wertpapiergesetz geändert, um der tatsächlichen Entwicklung der Größe des vietnamesischen Aktienmarktes Rechnung zu tragen. Die Verfahren und Bedingungen im Zusammenhang mit dem Börsengang (IPO) standen im Mittelpunkt des geänderten Gesetzes.

Um einen Börsengang beantragen zu können, ist ein Gründungskapital von 30 Milliarden VND (2 Millionen US-Dollar) erforderlich, was eine Erhöhung gegenüber dem früheren Bedarf von 10 Milliarden VND (500.000 US-Dollar) darstellt. Großaktionäre müssen ein Jahr nach dem Börsengang weiterhin 20 Prozent des Satzungskapitals besitzen. Aktiengesellschaften unterliegen auch strengeren Anforderungen in Bezug auf die Rechnungsprüfung, die Offenlegung von Informationen und das Management.

Herr Choi Ji Ung, Direktor der ASEAN-Rechtsanwaltskanzlei, begrüßt, dass das Gesetz nun den Standards der Internationalen Organisation der Wertpapierkommission (IOSCO) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nahekommt.

Mit neuen Vorschriften zur Verbesserung der Transparenz im Investitionsumfeld, insbesondere für ausländische Investoren, hofft Vietnam, die Größe des Aktienmarktes im Jahr 2020 dem BIP des Landes anzugleichen. Eine größere Marktkapitalisierung würde Vietnam laut der Rangliste der Financial Times Stock Exchange (FTSE) dabei helfen, sich von einem Grenzmarkt zu einem Schwellenmarkt zu entwickeln.

Ausblick für 2020

Die Weltbank prognostiziert, dass das Wirtschaftswachstum Vietnams mit 6,5 Prozent in den Jahren 2020 und 2021 hoch bleiben wird. Das Bankwesen, der Tourismus und der Einzelhandel würden weiterhin die Wachstumstreiber sein.

Vietnams offenes Handelsnetz macht das Land zu einem attraktiven Ziel für ausländische Direktinvestitionen (FDI). Dies macht Vietnam jedoch auch anfällig für eine Verlangsamung der globalen Nachfrage, die sich auf die vietnamesische Exportindustrie auswirken könnte.

Mit der Umsetzung von Struktur- und Steuerreformen in den letzten Jahren wäre Vietnam jedoch immer noch in der Lage, die Wachstumserwartungen in Schlüsselsektoren zu erfüllen.

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