Handel zwischen Vietnam und Deutschland: Wie man das EVFTA nutzen kann

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Eröffnungssitzung des vietnamesisch-deutschen Wirtschaftsausschusses

Am 12. Januar wurde der vietnamesisch-deutsche Wirtschaftsausschuss (engl. Vietnamese-German Joint Economic Committee, kurz JEC) in Hanoi und Berlin offiziell ins Leben gerufen. 

Aufgrund der COVID-19-Pandemie fand das Treffen, an dem viele Beamte und Vertreter der vietnamesischen und deutschen Regierung und Unternehmen teilnahmen, virtuell statt. 

Der vietnamesische Minister für Industrie und Handel, Herr Tran Tuan Anh, und der deutsche Minister für Wirtschaft und Energie, Herr Peter Altmaier, führten gemeinsam den Vorsitz über die Eröffnungssitzung.

Vietnamese German Joint Economic Committee

Überblick

Der JEC wurde gegründet, um mögliche Bereiche für eine intensivere Zusammenarbeit zu identifizieren und Hindernisse für Unternehmen auf dem Markt des jeweiligen Gastlandes zu beseitigen. Die Kommission ist ein Teil des strategischen Aktionsplans 2020/2021 zur Weiterentwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Vietnam. Schwerpunkte der ersten Sitzung waren neben der COVID-19-Pandemie die Bereiche Handel und Industrie, Fertigung, Energie sowie berufliche Bildung.

Altmaier würdigte Vietnams erfolgreiche Bewältigung der globalen Pandemie sowie der Überschwemmungen, welche die zentrale Region Vietnams im Jahr 2020 trafen. Außerdem betonte er die enge und starke Partnerschaft zwischen Vietnam und Deutschland. Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam (EVFTA), das im August 2020 in Kraft getreten ist, wurde bereits ein wichtiger Meilenstein zur Intensivierung der Handelsbeziehungen gesetzt. In der aktuellen pandemiebedingten Krise ist der Austausch zwischen den beiden Ländern wichtiger denn je, denn nur offene Märkte und freier Handel helfen der Wirtschaft, die Krise zu überstehen und sich schnell zu erholen.

Minister Tran Tuan Anh betonte, dass Vietnam der strategischen Partnerschaft mit Deutschland stets große Bedeutung beimesse und die weitere wirtschaftliche, handelspolitische und industrielle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern fördern wolle. Er versprach, in Vietnam die besten Bedingungen für Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in den Bereichen Produktion und Handel zu schaffen –  insbesondere für deutsche Unternehmen, da diese einen wichtigen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes darstellten.

Schwerpunkte

Handel und Industrie

Derzeit ist Deutschland der größte EU-Handelspartner Vietnams. Der bilaterale Warenhandel hat sich in den letzten 10 Jahren vervierfacht. Mit Ende 2020 waren mehr als 350 deutsche Unternehmen auf dem vietnamesischen Markt vertreten, wovon 60 Unternehmen ihre Produktionsstätten im Land errichtet hatten.

Laut der vietnamesischen Zollbehörde umfasste der gesamte Handelsumsatz zwischen den beiden Ländern mit Ende November 2020 9,08 Milliarden US-Dollar. Davon betrug der vietnamesische Exportumsatz 6,05 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg von 0,5 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2019 entsprach. Vor dem Hintergrund eines starken Rückgangs der weltweiten Importnachfrage aufgrund der Pandemie ist dies eine ermutigende Zahl.

Darüber hinaus hatte Deutschland in Vietnam bis Ende November 2020 378 ausländische Direktinvestitionsprojekte mit einem registrierten Gesamtkapital von mehr als 2,2 Milliarden US-Dollar und lag damit auf Platz 17 von 139 Ländern und Territorien, die in Vietnam investierten. Die Projekte, in die investiert wurde, konzentrierten sich auf die Bereiche Produktion, Verarbeitung, technische Dienstleistungen, Information und Kommunikation, Banken und Versicherungen. Zu den Investoren zählen deutsche multinationale Konzerne wie z.B. Daimler-Chrysler, B. Braun, Messer, Siemens, Schaeffler, und Bosch.

Fertigung

Die Automobilindustrie hat in Vietnam derzeit hohe Priorität und ist gleichzeitig eine von Deutschlands Stärken. Die vietnamesische Automobilindustrie hat sich im Jahr 2020 trotz der Pandemie stark entwickelt. Die inländische Automobilproduktion ist im Vergleich zu 2019 um mehr als 5,3 Prozent gewachsen. Es wird ein jährliches Wachstum von 20-30 Prozent erwartet.

Große deutsche Automobilhersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen haben durch die Vorzugskonditionen im EVFTA-Abkommen große Chancen, tief in den vietnamesischen Markt einzudringen. Gleichzeitig erlebt Vietnam aber auch ein schnelles Wachstum von einheimischen Automobilherstellern wie Vinfast, Truong Hai und Thanh Cong erlebt.

Vietnamesische Unternehmen haben die Möglichkeit, ihre Lokalisierungsrate zu erhöhen, indem sie sich an der Produktionskette von Komponenten und Ersatzteilen großer deutscher Industriekonzerne beteiligen. Das würde dazu beitragen, die Entwicklung der hier unterstützenden vientamesischen Industrien zu fördern und eine nachhaltige Grundlage für diese zu schaffen.

Ein Problem der Fertigungsindustrie in Vietnam sind die hohen Kosten der Logistik. Diese liegen mit mehr als 20 Prozent sogar höher als in Thailand und China. Dies stellt eine Einschränkung der Geschäftsaktivitäten sowie der Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen vietnamesischer und ausländischer Unternehmen, die in Vietnam tätig sind, dar.

Die vietnamesische Regierung priorisiert Projekte zur Entwicklung des Logistiksystems in Vietnam, um nicht nur kommerzielle Aktivitäten, sondern auch wichtige industrielle Produktionsaktivitäten, wie z. B. in der Chemie-, Pharma-, Automobil- und Petrochemiebranche, zu fördern.

Energie

Die wirtschaftliche Entwicklung Vietnams hat auch zu einem Anstieg des Energiebedarfs geführt. Die vietnamesische Regierung prognostiziert für die kommenden Jahre einen jährlichen Anstieg der Stromnachfrage um mehr als 10 Prozent. Energie, insbesondere erneuerbare und saubere Energie, einschließlich Wind-, Solar- und Gaskraft, erfährt große Aufmerksamkeit von deutschen Unternehmen.

Die Produktion von Gaskraft wird von der vietnamesischen Regierung in großen Industriezentren geplant. Ein Beispiel wäre das Gaskraftwerk in der Provinz Ninh Thuan mit Beteiligung von Siemens. Es soll das erste Modell für die Entwicklung sauberer Energiezentren in Vietnam sein, welche importiertes Flüssiggas verwenden. Dadurch will Vietnam nicht nur eine nachhaltige Energie-Infrastruktur entwickeln, sondern auch den entsprechenden Umweltschutz sicherstellen. Vietnam plant die Entwicklung einer Reihe von großen Gasenergiezentren in den Provinzen Ba Ria Vung Tau, Long An und Bac Lieu.

In Bezug auf Solar- und Windenergie strebt Vietnam eine installierte Windkraftleistung von etwa 2.000 Megawatt bis 2025 und etwa 6.000 Megawatt bis 2030 an. Die produzierte Solarstromleistung soll bis 2025 etwa 4.000 Megawatt und bis 2030 12.000 Megawatt umfassen. Vietnam verfügt mit mehr als 3.000 km Küstenlinie, insbesondere in den zentralen und südwestlichen Regionen, über ein erhebliches Potenzial in diesem Bereich. Gebiete wie die Provinzen Binh Dinh, Binh Thuan und Ninh Thuan bieten optimale Bedingungen für die Entwicklung der Windenergie. Deutsche Unternehmen sind eingeladen, die Möglichkeiten für den Bau von Windkraftanlagen in der Provinz Binh Dinh zu untersuchen. Sie erhalten dafür besondere Unterstützung und spezielle Anreize von der vietnamesischen Regierung.

Vietnam möchte mit deutschen Partnern nicht nur bei der Entwicklung traditioneller und erneuerbarer Energien, sondern auch in Bereichen wie Biomasse-Energie, Stromspeicherung und -übertragung enger zusammenarbeiten. Dies soll dazu beitragen, die Energiesicherheit sowie eine ausgewogene, angemessene, sparsame und effiziente Nutzung von Energiequellen zu gewährleisten und so zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in Vietnam führen.

Berufliche Bildung

Um ein nachhaltiges sozioökonomisches Wachstum zu gewährleisten und Vietnams Wettbewerbsfähigkeit in der Region und der Welt zu steigern, benötigt Vietnam dringend hochqualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings besitzt nur ein kleiner Teil der Arbeitskräfte des Landes ein formales Arbeitsqualitätsniveau. Es wird angenommen, dass jedes Jahr etwa 1,4 Millionen Studenten in Vietnam ihren Abschluss machen. Nur etwa die Hälfte wird eine Ausbildung an Universitäten und Hochschulen absolvieren, und nur ein Viertel wird eine formale Berufsausbildung abschließen.

Daher wird die Verbesserung der Berufsausbildung als eines der Schlüsselelemente in der Entwicklungsstrategie des Landes angesehen. Vietnam legt derzeit besonderes Augenmerk auf die Ausbildung von Arbeitskräften für Sektoren wie Maschinenbau, Dreherei, Montagemechanik, Elektronik, Abwasserbehandlung und erneuerbare Energien.

Deutschland hat bereits eine Reihe von Berufsschulen in Vietnam durch verschiedenste Maßnahmen unterstützt. Zu den Maßnahmen zählen die Erneuerung der Ausstattung, die Beratung durch Experten und die Einführung von Förderprogramme zur Verbesserung der Ausbildungsqualität in Übereinstimmung mit den Berufsbildungsstandards in Deutschland. Erwähnenswert ist auch die Verbindung von privaten Unternehmen und Berufsausbildungseinrichtungen. Ein Beispiel dafür ist die Ausbildung von Industriemechanikern von Bosch Vietnam Co., Ltd. und dem LILAMA2 Technical & Technology College in Dong Nai.

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