Interview mit Almut Rößner zur Situation deutscher KMUs mit Asiengeschäft zum Auftakt der Asia-Pacific Conference in Singapur (12-14 November 2022)

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Mit Öffnung der allermeisten Länder nach der Covid-19 Pandemie sind die geschäftlichen Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik wieder auf einem starken Kurs. Auch die Asien-Pazifik Konferenz der Deutschen Wirtschaft kann zum ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie wieder stattfinden, die traditionell deutsche Politik und Wirtschaft in der Region zum strategischen Dialog zusammenbringt. Auch Dezan Shira & Associates wird mit zwei Experten aus unserem German Desk vom 12.-14. November in Singapur dabei sein. Als Mitgliedsorganisation der beiden Hauptorganisatoren der APK, der German Chamber of Commerce in Singapur und des OAV – German Asia-Pacific Business Association, haben wir die Gelegenheit gehabt mit Frau Almut Rößner über die derzeitige Stimmung deutscher Firmen in Asien zu sprechen. Frau Rößner ist als Executive Member of the Board für den OAV und mit 15-jähriger Erfahrung in Asien (u.a. als Executive Director der European Chamber of Commerce Vietnam) eine aktive und gesuchte Expertin aus der deutschen Wirtschaft.

Wir haben Frau Rößner vier Fragen zur Situation speziell deutscher KMUs gestellt.

Dezan Shira & Associates: Wie beurteilen Sie die derzeitige Stimmung und Investmentbereitschaft sowie das Interesse deutscher KMUs bezüglich der Lage in Asien? Haben Politische Entscheidungen und Covid-19 Interessen verschoben?

Almut Rößner: Gerade für kleine und mittlere Unternehmen sind die politischen und sonstigen allgemeinen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung, da ihre Reaktions- und Manövrierfähigkeit naturgemäß deutlich limitierter ist als die von Großunternehmen. Das hatte sich schon beim aufbrechenden US-China-Handelsstreit angedeutet, wurde dann durch die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Lieferkettenengpässe akzentuiert und hat mit dem Ukraine-Krieg noch einmal eine neue Qualität gewonnen. Es lässt sich sagen, dass die KMU-Investitionsentscheidungen nun noch genauer abwägen und dabei ganz verschiedene Optionen in Erwägung ziehen. In Asien-Pazifik sind diese aktuell vielfach auf der Suche nach einem Standort, der politisch stabil und bezahlbar ist, der Wachstumspotenziale besitzt und von wo aus man einen guten Zugang zu anderen asiatischen Märkten hat. Wichtig wird sein, dass die KMU sich trotz der komplexeren Rahmenbedingungen die weiterhin sehr großen Wachstumschancen in Asien nicht entgehen lassen, die wichtig für deren mittel- und langfristigen Perspektiven sind. Hierbei brauchen sie auch eine besondere politische Unterstützung des deutschen Staates.

Dezan Shira & Associates: Unsere Firma hat 13 Bueros in China und entgegen den größeren Medienberichten in Deutschland haben wir bisher nicht den Eindruck, dass Investment abgezogen wird – die meisten Firmen sind nach wie vor in China sehr aktiv und diversifizieren die Supply Chain statt sie komplett zu verlagern – Haben Sie dazu einen Kommentar?

Almut Rößner: Die Bedeutung des chinesischen Marktes für deutsche Unternehmen ist ja hinreichend oft beschrieben worden. Dies gilt etwa als Absatzmarkt für die Chemieindustrie oder den Automobil- und Maschinenbau. Stärker ist auch die zentrale Rolle Chinas als Quelle für Vorprodukte und Rohstoffe ins Bewusstsein getreten. Hinzu ist zuletzt noch die steigende Bedeutung Chinas als Forschungs- und Entwicklungsstandort gekommen. Was sich sagen lässt, ist, dass abgesehen von einigen Großinvestitionen derzeit eine deutliche Investitionszurückhaltung zu beobachten ist. Investitionen werden aktuell aufgeschoben, um erst einmal die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Allerdings wird sich diese Strategie auf Dauer nicht durchhalten lassen. Parallel haben deshalb die Bemühungen für eine stärkere Diversifizierung der Bezugs-, Produktions- und Absatzmärkte mit mindestens einem weiteren Standbein an Fahrt aufgenommen. Jedoch ist das ein Prozess, der sicher einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Ein vollständiger Verzicht auf China ist wegen fehlender Marktgrößen anderswo für viele Unternehmen schlichtweg nicht machbar. Dennoch sind auch diese Unternehmen sehr gut beraten, die weiteren inneren Entwicklungen in China und im internationalen Umfeld genau zu beobachten und sich Reaktionsmöglichkeiten offenzuhalten.

Dezan Shira & Associates: HSBC hat prognostiziert, dass Vietnam 2030 Deutschland und UK in der Kaufkraft überholen kann. Während dies noch in den Sternen steht, glauben Sie, dass deutschen Firmen ausreichend bewusst ist, dass in Vietnam 100 Millionen Konsumenten auf Produkte “Made in Germany” warten? Oder beschränkt sich das Interesse nach wie vor auf Vietnam als Sourcing- und Produktionsstandort?

Almut Rößner: Vietnam hat in den letzten Jahren sehr große wirtschaftliche Fortschritte gemacht – dies ist sicherlich noch nicht überall umfänglich angekommen. Mit 100 Millionen Menschen verfügt Vietnam über einen attraktiven Markt von „aufstrebenden Konsumenten“ mit einem großen Nachholbedarf, die künftig auch vermehrt für Produkte aller Art „Made in Germany“ ansprechbar sind. Allerdings ist auch zu bedenken, dass die deutschen Unternehmen ihre Stärken eher bei Investitionsgütern als bei Konsumgütern haben, wo andere Länder stärker sind. Erstere sind meist qualitativ hochwertig und haben daher ihren Preis. Die Unternehmen versuchen hierauf mit maßgeschneiderten Angeboten zu reagieren. Und in dem Maße, wie die breitflächige Industrialisierung der vietnamesischen Volkswirtschaft weiter voranschreitet, werden auch deutsche Maschinen und Anlagen verstärkt nachgefragt werden. Damit Vietnam das derzeitige Wachstumsniveau halten kann, sind weitere grundsätzliche Reformen nötig, um die Produktivität zu erhöhen, die Geschäftskosten zu reduzieren und die digitale Transformation voranzutreiben.

Dezan Shira & Associates: Welches Land in ASEAN (Außer Vietnam) bietet die größten Potenziale für speziell Deutsches Investment?

Die große Stärke der ASEAN-Region ist ihre Vielseitigkeit, die sie für Unternehmen aus verschiedenen Branchen interessant macht. Neben Vietnam stehen aktuell vor allem Thailand und Indonesien besonders im Fokus. Malaysia hat derweil schon eine längere Tradition als verlässlicher Standort für die elektronische Fertigung. Singapur scheint derzeit seine ohnehin starke Stellung als Headquarter-Hub noch weiter ausbauen zu können und bemüht sich seit Längerem um eine intensive Start-up-Förderung. Während Vietnam speziell bei arbeitsintensiveren Industrien und beim Sourcing in Betracht kommt, kann Thailand auch mit seinen besser ausgebauten Zuliefernetzwerken bei weiter entwickelten Sektoren wie z.B. der Robotik infrage kommen. Die Philippinen versuchen nach den turbulenten Duterte-Jahren derzeit wieder Vertrauen bei den Investoren zu gewinnen und sind beim Infrastrukturausbau und der Auslagerung von nunmehr anspruchsvolleren Geschäftsprozessen interessant. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Indonesien sind gemessen an der Größe des Landes noch sehr ausbaufähig. Das Land ist sehr ressourcenreich und könnte künftig bei der Rohstoffsicherung eine wichtigere Rolle spielen, wobei die Regierung aber auf eine stärkere Verarbeitung im Land drängt. In diesen Bereich gehört auch, dass Indonesien sich verstärkt bei der Batteriefertigung für die Elektromobilität positionieren möchte.

Im Namen von Dezan Shira & Associates und unseres German Desks bedanken wir uns herzlich fuer die Teilnahme am Interview.

Die Asia Pazifik Konferenz der Deutschen Wirtschaft wird vom 12.-14. November in Singapur in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Roland Habeck, sowie Roland Busch, Siemens AG CEO und anderen Spitzenvertretern aus Wirtschaft und Politik stattfinden. Klicken Sie hier für mehr Informationen und möglicherweise verfügbare Restickets oder kontaktieren Sie Herrn Daniel Marek, marek@oav.de.

Auch unser Senior Manager David Stepat, david.stepat@dezshira.com und unser Head of Europe Riccardo Benussi, riccardo.benussi@dezshira.com werden zur Konferenz in Singapur sein.

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