Vietnam’s Konsumermarkt – Marktsituation und Chancen für Produkte „Made in Germany“

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Op-Ed von Julia Goeb

Vietnam, das ist für Deutsche ein Land, dass nach wie vor eher für eine tragische Geschichte, grüne Reisfelder, lächelnde Menschen mit Strohhüten und neuerdings auch eine beliebte Küche steht.

Für den deutschen Mittelstand aber ist Vietnam schon lange viel mehr, zunehmend nicht nur ein Standort für die nächste Fabrik, sondern auch als geschätzter Partner für die Realisierung wichtiger Großprojekte unter günstigen Bedingungen. Dominierende Branchen für deutsche Unternehmen, die neben Global Playern wie Mercedes Benz, Adidas, Siemens, Schaeffler und neuerdings auch Tesa (mit einem 55 Millionen Euro Investment) schon lange in Vietnam aktiv und erfolgreich sind, speisen sich vor allem aus dem deutschen Mittelstand.

Vietnam langfristig attraktiv für Deutsches Investment

Eine stabile Regierung, die mit großzügigen Anreizen mehr Investment begrüßt, eine junge Bevölkerung (jeder zweite vietnamesische Bürger ist unter 30), die sich zunehmend akademisch oder fachlich bildet, rundet das attraktive Paket „Vietnam“ für deutsches Investment ab.

Wir sprechen also in Bezug auf deutsches Investment in Vietnam vor allem über Manufacturing, Automotive, Textile & Garment sowie Sourcing von Rohmaterialien, sowie neuerdings auch Fertigung und IT Outsourcing.

Was aber, wenn wir vor allem im Licht von Freihandelsabkommen wie dem europäisch-vietnamesischen EVFTA, welches nun mehr seit 2 Jahren in Kraft ist, den vietnamesischen Konsumermarkt betrachten? Wo sind die deutschen Unternehmen, die „Made in Germany“ einem interessierten, qualitätsbewussten und vor allem spendierfreudigen Kunden anbieten?

Vielfach leider nicht da.

Deutsche Firmen bleiben im vietnamesischen Konsumermarkt unter ihren Moeglichkeiten

Versuche, deutsche Unternehmen und Produkte, die über Küchenutensilien und Geräte, Autos und Haribo hinaus gehen nach Vietnam zu bringen, scheitern häufig immer noch an der Unkenntnis der Situation vor Ort, und überlassen so einen zunehmend reifenden, 100 Millionen Menschen starken Konsumermarkt dem Wettbewerb aus Süd-Korea, Japan, Thailand und den USA.

Argumente gegen einen Markteintritt als Konsumermarke sind nach wie vor dieselben: Das GDP sei viel zu klein, man könne in Vietnam nicht zu einem angemessenen Preis verkaufen. Die Konkurrenz ist zu stark, Vietnamesen bevorzugen Produkte aus Süd-Korea oder den USA. Vietnamesische Verbraucher sind zu preisbewusst und treffen Kaufentscheidungen nach dem Preisprinzip. Diese und andere Annahmen führen leider dazu, dass Vietnam als Absatzmarkt für deutsche Produkte übersehen wird, obwohl es hier eine kaufkräftige und schnell wachsende Mittelschicht gibt.

Es folgen ein paar der populärsten Beispiele und Annahmen über Vietnam, und wie deutsche Hersteller die Chancen nutzen können, die dieser interessante Markt bietet.

Mythos Nr. 1: Niedriges GDP als Indikator für Kaufkraft

Wenn Strategien nur auf dem Papier und ohne lokalen Kontext geplant werden, wird insbesondere die Kaufkraft der vietnamesischen Konsumenten drastisch unterschätzt.

Eine vietnamesische Familie mit 2 Verdienern lebt traditionell nur für ein paar Jahre zur Miete, das Ziel ist so schnell wie möglich Wohneigentum zu erwerben, welches dann in häufig überschaubaren Zeiträumen abbezahlt wird – wobei es nicht untypisch ist, dass weitere Immobilien im Familieneigentum sind, diese aber entweder in einer entfernteren Kleinstadt liegen, oder vermietet werden. (Die Eigentumsrate in Vietnam ist dabei global auf Platz 7). Generell jedoch geben vietnamesische Verbraucher ungern mehr als 20% ihres Einkommens für Miete aus, lieber wird Eigentum abbezahlt. Auch andere essenzielle Ausgaben, wie eine Vielzahl an Versicherungen, hohe Mobilitätskosten und Energiekosten (z.B. Heizkosten) fallen meist weg. Das tatsächlich verfügbare Einkommen ist also durchaus beachtlich.

Mythos Nr. 2: Hohe Preissensibilität und Preisbasierte Kaufentscheidungen erschweren Absatz von hochwertigen Produkten

Auch dieser Mythos fußt auf der Tatsache, dass Grundlebensmittel und einfache Dienstleistungen in Vietnam tatsächlich einen Bruchteil von dem kosten, was sie beispielsweise in hochentwickelten Märkten wie Singapur kosten würden.

Einige Beispiele für Konsumgüter mit starker Nachfrage und hohem Anspruch an Qualität:

  • Importierte, saisonale & Regionale Lebensmittel

Vietnamesische Konsumenten haben zunehmend hohe Ansprüche an Qualität und etwaige gesundheitliche Vorteile, die ein Produkt bieten kann. Für begrenzt verfügbare, beispielsweise regionale und saisonale Produkte kann selbst für ein einheimisches Produkt ein Vielfaches des Normalpreises verlangt und erzielt werden. Importware genießt dabei noch immer einen bevorzugten Status. (Beispielsweise Australisches Rindfleisch, Kanadischer Hummer und paradoxerweise thailändische Mango).

Es ist keine Besonderheit, wenn für 1 Kilo importierter Äpfel der Sorte Gala der gleiche Preis wie in einem deutschen Supermarkt fällig wird, oder gar deutlich überstiegen wird. Die Bereitschaft, für 100 Gramm importierte Kirschen umgerechnet 10 Euro und mehr auszugeben ist erstaunlich hoch und das Mitbringen von frischem Obst zu Freunden oder Verwandten ist eine Sitte, die generationsübergreifend verbreitet ist. Dabei kann sich insbesondere der wachsende Bedarf an Produkten im mittleren bis oberen Preissegment sehen lassen. Es ist daher keine Überraschung, dass der Lebensmittelexport nach Vietnam beispielsweise von der Kanadischen-, Italienischen-und Australischen Regierung gefördert und beworben wird.

  • Pflegende und Dekorative Kosmetik

Die durchschnittliche, berufstätige Arbeitnehmerin in Vietnam gibt im Durchschnitt umgerechnet 20 Euro für Pflege- und Kosmetikprodukte im Monat aus. Dieser Durchschnitt liegt bei der urbanen Mittelschicht natürlich um ein Vielfaches höher, aber auch eine preisbewusste Familie wird nicht deutlich unter dem Durchschnitt bleiben.

Kosmetik (ausländische wie einheimische) war ein Vietnam bis in die 90er Jahre ein Luxusprodukt. Die ältere Generation aber auch Millennials aus ländlichen Gebieten erinnern sich gut daran, für den Körper ein Stück Kernseife und für die Haarwäsche einen Kräutersud zu verwenden. Dies hat sich jedoch drastisch verändert – Drogerieketten aus Hong Kong wie Watson’s oder Guardian bieten eine unendliche Auswahl an Produkten an, deren Preisgestaltung deutlich über dem liegt, was beispielsweise in einem deutschen DM oder Rossmann als Einstiegspreissegment gilt. Neben den auch in Deutschland bekannten Marken von Unilever, Johnson & Johnson oder Procter & Gamble sind Marken aus Korea, Japan, den USA, Australien, Kanada und vereinzelt Russland und Ukraine erhältlich. Außerdem haben sich in den letzten Jahren vietnamesische Kosmetikmarken entwickelt, die mit einheimischen Ingredienzien (unter anderen den vormals erwähnten Kräutersud) und zeitgenössischem Produktdesign ebenfalls im deutschen Mittelpreissegment liegen.

Vietnamesische Konsumenten sind neugierig, qualitätsbewusst und kauffreudig

Ein drastisches Beispiel für das Pricing im Vergleich beispielsweise zu einem studentischen Stundenlohn, der in Vietnam zwischen 70 Cent bis einen Euro liegt, ist dabei Flüssighandseife. Eine 200 ml Flasche der einheimischen Marke „Lifebuoy“ ist dabei mit 25,000 Vietnam Dong (etwa 1 Euro) bereits das günstigste verfügbare Produkt. Vergleicht man dazu die Kaufkraft mit einem deutschen Stundenlohn von bald 12 Euro, bei Verfügbarkeit von Flüssighandseife zwischen 40 Cent bis 80 Cent (Discounter oder Drogeriehausmarke), ist es erstaunlich, wie viel vietnamesische Verbraucher in Relation bereit und willens sind für Kosmetik- und Pflegeprodukte des Alltags zu bezahlen (Dabei ist der stark wachsende Luxusmarkt noch nicht mitberücksichtigt).

Mythos Nr. 3: Deutsche Verbraucherprodukte haben in Vietnam keinen Markt

Auch dieser Mythos kann leicht entzaubert werden, wenn wir berücksichtigen, dass alleine die Tatsache, dass Deutschland und Vietnam bereits vor der Wiedervereinigung eine starke Beziehung hatten. Heute leben nach Schätzungen der Bundeszentrale für politische Bildung mindestens 185 000 Menschen mit vietnamesischem Pass dauerhaft in Deutschland und noch mehr, wenn Vietnamdeutsche einbezogen werden, die ganz in Deutschland geboren sind und teilweise nun Teil der neuen vietnamesischen Diaspora sind, die nun Firmen in Vietnam gründen oder für deutsche Firmen in Vietnam in höheren Positionen arbeiten. In Vietnam resultiert dies darin, dass in vielen Familien Verwandschaftsbeziehungen nach Deutschland bestehen und Verwandte bei jedem Besuch um ganze Kofferladungen an deutschen Drogerieprodukten, Fissler Pfannen, Kinderzahnpasta, Nahrungsergänzungsmitteln, Tee oder Reinigungsmitteln mitbringen. (Die es in Vietnam selbstverständlich auch von zahlreichen anderen ausländischen Herstellern zu kaufen gibt).

Deutsche Produkte werden über inoffizielle Kanäle landesweit vertrieben

Interessanterweise hat sich aus dieser stetigen Nachfrage bereits ein lebhaftes Geschäft mit deutschen Produkten aus diesen Kategorien etabliert, dass aus kleinen Läden mit Namen wie „German Shop“, „L’s Place“, „Die Leckerei“ sowie privaten und halbprivaten Onlinevertrieben auf Facebook oder Lazada besteht, die teilweise für das Vierfache des deutschen Verkaufspreises Ware anbieten.

Fazit: “Made in Germany” ist “Big in Vietnam”

Deutsche Konsumermarken sollten sich Vietnam sehr genau angucken. Angesichts der inoffiziellen Präsenz vieler bekannter Produkte in Vietnam, deren Anzahl weiter zunimmt und einem Markenversprechen, dass mit Gesundheit, Natürlichkeit und Sicherheit viele Uremotionen in der vietnamesischen Konsumerseele noch besser anspricht als die Konkurrenz aus Korea oder den USA ist es erstaunlich, dass dieser Markt so konsequent übersehen wird.

Möglichkeiten für den Markteintritt in Vietnam als Konsumermarke

Um den vietnamesischen Konsumermarkt als deutsche Firma zu bedienen, gibt es eine Reihe relativ niedrigschwelliger und ökonomischer Möglichkeiten:

  • Verträge mit lokalem Vertrieb, beispielsweise Supermarktketten
  • Shop in Shop System oder Point of Sale Spots in bekannten Einkaufszentren
  • Onlinevertrieb mit eigener Präsenz in vietnamesischer Sprache
  • Eröffnung eigener Vertriebswege wie Filialen mit angepasstem oder reduziertem Produktsortiment

Wenn Sie mehr über die Möglichkeiten im vietnamesischen Markt für ihr spezifisches Produkt erfahren möchten, beraten wir Sie gerne. Wir begleiten deutsche Firmen beim gesamten Prozess von umfangreicher Marktanalyse, Distributoren und Suppliersuche, Firmenregisterierung und Öffnung, bis hin zu Steuer, Audit und Recruiting.